Kurze Geschichte des Lahnweinbaus

Bibliographie zum Weinbau an der Lahn
Gottfried Pahl † und Renate Schoene †

800 Jahre Lahnweinbau

Der Wein zählt zu den ältesten Kulturgütern der Menschheit. Stets war er weit mehr als nur ein Getränk.
Im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit diente Wein vor allem als Grundnahrungsmittel, Zahlungs- und Tauschobjekt sowie als Messwein. Weinberge waren weit verbreitet und gehörten zum Besitz von Kirchen, Pfarreien, Klöstern, adligen Grundherren, reichen Bürgern und Bauern.
So spielte auch der Lahnweinbau eine wesentlich größere Rolle als in unserer Zeit. Er kann auf eine mehr als 800 Jahre alte Geschichte und Tradition zurückblicken, war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und prägte Landschaft und Menschen über viele Jahrhunderte hindurch.

Foto: © Ortsgemeinde Obernhof

Römischer Ursprung

Die Rebkultur kam mit den Römern an Mosel, Rhein und Donau. Ein römischer Kelterstein, der bei Niederlahnstein gefunden wurde, ist ein zuverlässiger Beleg für Weinbau im Lahnmündungsgebiet, wobei die Anbauflächen aber vermutlich im Rheintal lagen. Erste (umstrittene) Hinweise auf Weinbau bei Diez und im südlich angrenzenden Aar-Gebiet finden sich in einer Schenkungsurkunde Karls des Großen an die Abtei Prüm aus dem Jahre 790. Es folgen Schiesheim 879 und Oberneisen 958. An der Lahn selbst ist der Rebbau zum ersten Mal gesichert im 12. Jahrhundert belegt, und zwar bei Nassau (1159).

Nach Ausweis der urkundlichen Ersterwähnungen muss man davon ausgehen, dass er nicht vom Mittelrhein aus, sondern vom Rhein-Main-Gebiet über das Limburger Becken an die Lahn vorgedrungen ist. Im 13. und 14. Jahrhundert erfolgte eine zügige Ausbreitung im unteren und auch im mittleren Lahntal bis in den Marburger Raum.

Grafik: © roadrunner - fotolia.com

Weinberge an der Lahn

Erst die Einführung der Terrassenkultur im 10./11. Jahrhundert ermöglichte den Weinbau im sehr engen unteren Lahntal.

Weitere Ersterwähnungen für Weinberge sind:

Kloster Arnstein (um 1200),

Wetzlar (1242),

Niederlahnstein (1247),

Weinähr (1267),

Laurenburg (1275),

Dausenau (1300),

Limburg (1349),

Weilburg (um 1350),

Obernhof (1370),

Fachbach (1385).

Karte: Dahlen, 1885
© Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz

Kloster Arnstein

Gegründet 1139.

Im Gebiet der unteren Lahn sorgten vor allem das Prämonstratenserkloster Arnstein (bei Obernhof, gegründet 1139) und das St. Kastorstift in Koblenz für eine beachtliche Ausdehnung der Rebflächen zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert. Das Kloster Arnstein besaß Weinberge von Laurenburg bis Lahnstein, zeitweise sogar an Rhein und Mosel. Der Überlieferung nach bezog es die Setzreben zum erstmaligen Anbau aus Burgund.

Foto: © Ortsgemeinde Obernhof

Blütezeit

16. - 17. Jahrhundert.

Die Blütezeit des Weinbaus an der Lahn war Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts.

Im unteren Lahntal gab es entlang der südexponierten Talseite eine weitgehend geschlossene Rebflur.
Dieser Kupferstich aus dem Jahre 1740 zeigt Weinberge (e) am Burgberg zwischen der Laurenburg und dem Schloss Laurenburg.

Reproduktion: Privatbesitz Gerhard Gemmer, Troisdorf

Niedergang

Spätestens mit dem 30-jährigen Krieg kam es zu einem deutlichen Niedergang, in erster Linie als Folge des dramatischen Bevölkerungsrückganges.
Dieser betraf sowohl die bäuerliche Bevölkerung als Produzenten wie die Weinkonsumenten.

Auch unmittelbare Zerstörungen der Weinberge durch Söldnerheere sind überliefert, so bei Diez.

Hinzu kam die Konkurrenz durch bislang hier unbekannter Getränke aus Übersee, wie Tee, Kaffee oder Kakao und ein allgemeiner Geschmackswandel zu Bier und anderen Getränken.

Letztlich hat sicherlich auch die Klimaverschlechterung im Zuge der Kleinen Eiszeit [1675 bis 1715 besonders kalte Zeitabschnitte] die Problematik verstärkt, so dass ein Teil der verwilderten Weinberge mit robusteren Obstbäumen bepflanzt wurde.

Marodierende Soldaten. Sebastian Vrancx 1647, Deutsches Historisches Museum Berlin. Quelle: Wikipedia

Marodierende Soldaten. Sebastian Vrancx 1647,
Deutsches Historisches Museum Berlin
Quelle: Wikipedia

Weiterer Niedergang

Die Bemühungen der Grundbesitzer (vornehmlich Klerus und Adel) zur Wiederbelebung der Rebkultur an der Lahn Mitte des 17. Jahrhunderts hatten nur begrenzten Erfolg. So blieb der Weinbau weit hinter seiner früheren Verbreitung zurück, wenn er auch in einigen Orten im unteren Lahntal weiterhin eine wichtige Existenzgrundlage für die Bevölkerung bildete, wie in der Stadt Nassau.
In den ungünstigeren Lagen (enge Seitentäler, Gebiete an der mittleren Lahn, Hochflächen etc.) wurde der Weinbau jedoch auf Dauer aufgegeben. Die beginnende Industrialisierung, die auf den Eisen-, Blei-, Kupfer, Zink- und Silberbergwerken und der Erzverhüttung basierte, bot den Winzern Möglichkeiten, in besser bezahlten Berufen ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Hinzu kamen zahlreiche Missernten und starke Konkurrenz aus anderen, auch ausländischen Weinbaugebieten, so dass sich die Rebfläche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen Runkel und Lahnstein um 50% reduzierte.
Die fortschreitende Industrialisierung und der Ausbau der Verkehrswege (die Bahnverbindung Gießen-Lahnstein wurde 1863 durchgehend fertiggestellt) bewirkte eine erhöhte Mobilität der Bevölkerung. Zahlreiche Bauern, überwiegend Nebenerwerbswinzer, wanderten ab oder wandten sich anderen Berufen zu.

© Daniel Sch.... - fotolia.com

Foto: © Daniel Sch.... - fotolia.com

Wiederbelebung

Seit den 1880er Jahren ließen sich [jedoch] wieder Winzer von der Mosel an der Lahn nieder.
Sie erwarben brachliegende Weinberge insbesondere bei Obernhof und Weinähr und bewirkten eine spürbare Wiederbelebung des Weinbaus um die Jahrhundertwende.
Neben dem an der Lahn vorherrschenden Spätburgunder und Kleinberger (Elbling) wurde nun von den Moselwinzern der Riesling verstärkt angebaut.
Später kam Müller-Thurgau hinzu und der Kleinberger wurde gerodet.

© PHB.cz - fotolia.com

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Erneuter Niedergang

Das Lahntal war Jahrhunderte lang vor allem für seine vorzüglichen Rotweine bekannt (besonders aus Runkel und Fachbach), wenngleich Erntemengen und Qualität des Lahnweines starken Schwankungen unterlagen.
Negative Witterungseinflüsse, wie Frostschäden, Rebkrankheiten und -schädlinge führten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem weiteren Niedergang des Weinbaus.
Die Realteilung hatte vor allem nachteilige Auswirkungen auf die in Steillagen gelegenen Weinberge. Infolge der großen Besitzzersplitterung, eines unzureichenden Wegenetzes und der topographischen Gegebenheiten konnten kaum Rationalisierungs- oder Mechanisierungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Dies hatte zur Folge, dass viele Winzer den Weinbau ganz aufgaben oder nur noch im Nebenerwerb weiterführten.

 © Linleo - fotolia.com

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Einrichtungen

Von der Reblaus, die seit den 1880er Jahren in Deutschland grassierte, blieb das Lahntal (entgegen anders lautender Angaben in der Literatur) verschont.
Indirekt profitierte es sogar davon, indem von Seiten des Staates Rebflächen (meist Brachland) gekauft oder gepachtet und dort zahlreiche Einrichtungen zur Überwindung der Reblausplage angesiedelt wurden.
So entstanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Rebschnittgärten (Bad Ems-Fachbach, Obernhof, Tiefenbach bei Braunfels), Musterweinberge und staatliche Rebveredlungsanstalten (Oberlahnstein und Diez-Oranienstein) unter Leitung der Oberlahnsteiner Rebenveredelungsanstalt und Rebschule.

Seit 1964 existiert keine dieser Einrichtungen mehr und die Rebflächen sind mit Ausnahme von Obernhof komplett wieder brach gefallen.

© Rebschule V & M Freytag GbR, Neustadt a. d. Weinstraße

© Rebschule V & M Freytag GbR, Neustadt a. d. Weinstraße

Fotos: © Rebschule V & M Freytag GbR, Neustadt a. d. Weinstraße

Stabilisierung

Obernhof - Weinähr.

Auch die Gründung von Winzergenossenschaften und -vereinen konnte keinen dauerhaften Beitrag zum Erhalt des Weinbaus an der Lahn leisten.
Rekultivierungsmaßnahmen in den 30er Jahren durch den Einsatz des Reichsarbeitsdienstes hatten kriegsbedingt nur kurzen Erfolg.

Sehr wichtig waren die Flurbereinigungsmaßnahmen in Obernhof 1982-1985. Sie führten seither zu einer Stabilisierung der Rebfläche in der Gemeinde, obwohl die Zahl der Winzer weiter zurückgegangen ist.

Dagegen endete der Weinbau in anderen Gemeinden des unteren Lahntales:
In Bad Ems kam er 1965 zum Erliegen, in Fachbach 1972, in Nassau 1982.
In Dausenau erfolgte 1990 die letzte Weinlese.

Foto: © Uwe & Sabine Haxel, Obernhof

Rhein-Weinbau-Karte für die Strecke Bingerbrück/Rüdesheim - Coblenz : einschliesslich des Lahnthales Mit Benutzung amtlichen Materials angefertigt im Bureau der Königlichen Regierung zu Coblenz 1902

Weinbaugebiet Mittelrhein

Großlage Lahntal.

Der Lahnwein hat kein eigenes Anbaugebiet mehr, sondern gehört seit 1971 zum Weinbaugebiet Mittelrhein.
Die Großlage Lahntal umfasst noch Einzellagen bei Bad Ems / Dausenau, Nassau, Obernhof und Weinähr.

In Bewirtschaftung sind aber gegenwärtig nur die Einzellagen Goetheberg bei Obernhof und die Giebelhöll bei Weinähr im Gelbachtal.
Bis 2001 bewirtschafteten 7 Winzer ca. 7 bis 8 ha Rebfläche.
Heute sind nur noch vier Winzer aktiv, bei etwa gleicher Rebfläche. Nach dem plötzlichen Tod von Ernst Haxel (2008) und Edmund Scherer (2009) gibt es nur noch zwei Vollerwerbswinzer, beide in Obernhof.

 

Idealisten

Die an der Lahn verbliebenen Winzer sind Idealisten, die mit hohem Einsatz um den Erhalt des Weinbaus bemüht sind und einen sehr guten Wein erzeugen.
Sie betreiben eigene Weinstuben oder Straußwirtschaften, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Hier wird der überwiegende Anteil des Weines selbst vermarktet.
Nur ein kleiner Teil dieser Rarität wird über andere Restaurants und Hotels in der Umgebung abgesetzt.

Fotos: © Uwe & Sabine Haxel, Obernhof

Weine mit Zukunft

Vorwiegend sind die Weinberge mit Riesling und dem traditionellen Spätburgunder bepflanzt.
Lahnweine wurden bei Bundes- und Landesweinprämierungen auch mit goldenen, silbernen und bronzenen Kammerpreismünzen ausgezeichnet.
In den letzten Jahren bezeugen Publikationen über den seit Jahrhunderten existierenden Rebbau an der Lahn, dass diese Weinbauregion nicht vergessen ist, aber die Winzer sehr große Anstrengungen unternehmen müssen (beispielsweise durch neue EG-Bestimmungen), damit der Lahnweinbau, auch mit Hilfe des Fremdenverkehrs, erhalten bleibt.

Fotos: © Uwe & Sabine Haxel, Obernhof, © Weingut Schreiberlay, Obernhof

Förderung

So veranstaltet die WFG Rhein-Lahn seit 1996 in Zusammenarbeit mit der Winzergenossenschaft „Loreley“ Bornich alljährlich die Veranstaltungsreihe „Unser Kreis – unser Wein“ an wechselnden Orten des Rhein-Lahn-Kreises, um den heimischen Wein zu bewerben.

* * *

Foto: © Ortsgemeinde Obernhof

Quelle:

Bibliographie zum Weinbau an der Lahn
Gottfried Pahl † und Renate Schoene †

Koblenz: Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz 2010
[Bad Ems: Kreisverwaltung 2002–2009]
ISSN 1863-8619
© Gottfried Pahl, Dausenau ; Renate Schoene, Bonn 2002
Berichtszeitraum: 1885 – Letzte Aktualisierung: 8. August 2014


Mit freundlicher Genehmigung


Fotos, Grafiken und Reproduktionen: mit freundlicher Genehmigung
Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Koblenz,
Ortsgemeinde Obernhof,
Lahnweingut Uwe & Sabine Haxel, Obernhof,
Weingut Schreiberlay, Obernhof,
Uli Kutting, Bad Ems,
Rebschule Freytag, Neustadt/W.,
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Daniel Sch... - fotolia.com
PHB.cz - fotolia.com,
Linleo - fotolia.com,
Gerhard Gemmer, Troisdorf,
Matthias C. Schmidt, Scheidt (Header).

Beitrag zur Aufarbeitung
der Geschichte
des Weinbaus an der Lahn

Die Bearbeiter der Bibliographie zum Weinbau an der Lahn wünschten sich, dass die Bibliographie für weitere lokale Untersuchungen wie für die noch ausstehende Gesamtdarstellung des Lahnweinbaus Anregung und Hilfe sein möge. (vgl. ebd. S. 4)
Diesem Wunsche folgend möchte der Brauchtums- und Kulturverein Scheidt-Esterau e.V. mit der Erforschung und Bewahrung der Geschichte des Weinbaus um die Laurenburg und Scheidt ein klein wenig dazu beitragen.

Daher sei an dieser Stelle auch auf den ersten historischen Nachweis eines Weinberges (Wingerts) im Ortsbering Scheidt in der Wiesenstraße hingewiesen.

 

Fotos: © Brauchtums- und Kulturverein Scheidt-Esterau e.V., Scheidt

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